Seit ich kürzlich auf Instagram in meiner Story zeigte, dass mein nun fast zweijähriger Sohn ein Tablet besitzt, kommen immer wieder nett gemeinte Hinweise darauf, dass ihm das schade und ich keine Werbung für so etwas machen solle. Aus diesem Grund habe ich mich nun dazu entschieden, etwas Aufklärung zu betreiben.
Vorweg: Ja, es gibt Studien, die sagen, dass zu langer Konsum elektronischer Medien Kindern in der Entwicklung ihrer Gehirne schade, bis hin zur Vermutung, dass dies ursächlich für ADHS sein könne, einen kausalen Zusammenhang hat aber bis dato noch niemand feststellen können, lediglich Vermutungen darüber, dass ein solcher bestehen könnte.
Was aber in all diesen Studien diese vermuteten Zusammenhänge nahelegte, waren Probanden, die wirklich exzessiv Medien elektronischer Art konsumierten und dies nicht nur gelegentlich taten. Und dass ein exzessiver Konsum egal von was nie gut ist, ist eigentlich hinreichend bekannt. Daher ist es mehr als gewagt, die pauschale Behauptung aufzustellen, dass elektronische Medien Kindern generell schaden würden.
Wir leben in einer digitalisierten Welt, aus der Internet, Handys und Tablets schlichtweg nicht mehr wegzudenken sind und somit ist es vollkommen unmöglich, zu glauben, dass man Kinder auf Dauer davon fernhalten kann. Was man stattdessen besser tun sollte, ist, sie eine gesunde Nutzung zu lehren, sie also medienkompetent zu machen.
Da Kinder einen intrinsischen Trieb haben, alles um sie herum erkunden zu wollen, da sie so lernen, ihre Umwelt zu begreifen, interessiert sie logischerweise auch ein Handy oder Tablet, wenn sie dieses sehen und auch eine Beschäftigung mit diesen Dingen fördert ihren Lernprozess.
Für die meisten erwachsenen Menschen ist es heutzutage schwierig, dem Bildschirm zuzugestehen, dass er ein Lernmedium sei, insbesondere aber wohl auch daher, da sie ihn als solchen selbst in der Jugend und Kindheit nicht erlebt haben. Vielleicht das Fernsehen, sicher aber nicht das Internet, Handys oder Tablets. Die Generation, die dies selbst erlebt hat, kommt nun langsam erst selbst in das Alter, wo sie Kinder kriegen könnte und sich mit der Frage auseinander setzen müsste, ob sie es gut finden würde, wenn der Nachwuchs auf elektronische Medien Zugriff hat.
Die meisten Erwachsenen werden daher eher sagen, dass sie es nicht gut finden, wenn ihre Kinder Handy oder tablet nutzen und erstaunlicherweise setzen die meisten von ihnen auch elektronische Medien gleich mit dem gesamten Medienbegriff, der auf diese Weise allzugern verteufelt wird. Erstaunlicherweise daher, weil unter diesen Begriff auch das klassische Buch fällt, welches sicher kaum ein Mensch als schlecht für die Entwicklung eines Kindes bezeichnen würde.
Was sind denn aber nun die Argumente, die gegen die Nutzung von elektronischen Medien ins Feld geführt werden?
- Bildschirme sind schlecht für die Augen
Diese Aussage stammt aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts und ist somit nicht nur mittlerweile über 50 Jahre alt, sondern bezieht sich auch noch auf heutzutage eigentlich quasi gar nicht mehr verwendete Röhrenbildfernseher. Eine Studie hatte damals tatsächlich herausgefunden, dass länger als zwei Stunden andauerndes Fernsehen die Fähigkeiten des Auges zu fokussieren einschränken kann, dieses sich aber nach etwa 30 Minuten Erholung wieder vollständig erholt (Quelle).
Was heute gerne auch ins Feld geführt wird, ist das blaue Licht, dass Handys und Tablets abstrahlen und dass dieses wach hält. Alle mir bekannten Geräte sind jedoch mittlerweile mit der Funktion ausgestattet, dass dieses Licht durch einen Filter überdeckt werden kann ab einer bestimmten Uhrzeit oder eben manuell, sodass dieser Effekt verhindert werden kann.
- Nutzung elektronischer Medien macht dick
Diese Behauptung ist schlichtweg unsinnig. Nicht der Konsum dieser Medien macht dick, sondern mangelnde Bewegung und schlechte Ernährung. Es wäre da also wesentlich sinnvoller, zum Beispiel darüber nachzudenken, dass man sein Kind nicht tagein tagaus mit dem Auto zur Schule fährt und wieder dort abholt und es stattdessen lieber den Weg alleine oder zumindest zu Fuß antreten lässt.
- Kindergehirne können Bilder elektronischer Medien nicht verarbeiten
In diesem Zusammenhang wird gerne auch erwähnt, dass der Konsum elektronischer Medien, und hier auch der des Fernsehers, ursächlich für ADHS sein könne. Ich selbst habe mich mit diesem Thema im Studium auch bereits ausführlich beschäftigt, und kann dasher sagen, dass man zwar vermutet, dass schnell ablaufende Bilderfolgen von zum Beispiel asiatischen Comicfilmen das kindliche Gehirn überfordern (das Gehirn bekommt über die Augen die Information Alarm/ Aktion und über den sitzenden Körper die Information Ruhe. Dadurch entstehe sozusagen ein Kurzschluss und ADHS werde begünstigt. Ihr seht aber schon an der aussschließlichen Nutzung des Konjunktivs, dass auch hier eben kein Beweis gefunden wurde, sondern nur mögliche Zusammenhänge vermutet werden konnten. Auf diesen möglichen Zusammenhang kamen die Studien, da die Aufnahmen der kindlichen Gehirne in diesem Zusammenhang starke Reaktionen auf Bilder zeigten. Dies besagt aber lediglich, dass die Gehirne arbeiteten und dies tun sie bei jedem Lernprozess.
Welche Schlüsse ziehe ich nun also am sinnvollsten aus diesem Thema?
Kinder können sinnvollen Umgang mit elektronischen Medien nur dann erlernen, wenn man ihnen dies ermöglicht. Wir leben heute in einer Welt, aus der diese nicht mehr wegzudenken sind. Nicht nur zuhause haben in der Regel mittlerweile alle Kinder elektronische Medien in greifbarer Nähe, nein auch in den Schulen halten immer mehr Smart-Boards und auch Laptops Einzug. Dies ist keineswegs zu verteufeln, sondern schlichtweg ein Grund, Kinder kompetent im Umgang mit diesen Medien zu machen, anstatt sie davon fernzuhalten und so unter dem Strich dazu beizutragen, dass sie sie in der ersten sich bietenden Sekunde heimlich nutzen, da es sonst eventuell verboten sind oder aber Schuld daran zu tragen, dass sie eben nicht kompetent an die Sache herangehen und so weitaus größeren Gefahren ausgesetzt sind, als sie es vermeintlich mit ihrer Nutzung sowieso wären.
Also: verteufelt elektronische Medien nicht, sondern begleitet eure Kinder auf dem Wege zu größtmöglicher Medienkompetenz.
[…] kann ich beruhigen. Dies ist schlichtweg falsch und wer sich dazu näher belesen möchte, kann das hier […]
Hey Nicola,
ich feiere diesen Artikel!
Nicht nur wegen der allgemeinen Aussage, sondern auch wegen der tieferen Analyse mit Hintergründen und Quellenangaben.
Ich bin nahezu 1 zu 1 Deiner Meinung, obwohl ich auf meiner Seite die Medien sogar oft „verteufle“ – aber nur im Zusammenhang mit stundenlangem davor „Parken“ und der daraus entstehenden Bewegungslosigkeit. Leider gibt es diese Fälle auch oft.
Wenn es gezielt gesteuert und eingesetzt wird, wobei die Kids dabei auch zwischendurch relativ frei entscheiden sollen, ist es ein Segen und eine gute Vorbereitung auf deren Zukunft in einer digitalisierten Welt. In manchen Blogartikeln lasse ich das auch durchscheinen.
Meine Tochter hat übrigens das gleiche Gerät. Schade nur, dass die Toni-App nicht im Kindermodus funktioniert 🙁
LG
Oli