Kommt es im Schriftspracherwerb zu Schwierigkeiten, müssen diese bereits im Vorschul- und Grundschulalter erfaßt werden, wenn negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung verhindert bzw. gemildert werden sollen.
Dissertation Michael Wendler 2001
Warum aber ist es in unserer digitalisierten Welt denn überhaupt noch wichtig, dass Menschen gut per Hand schreiben können? Werden sie das in der Zukunft überhaupt noch tun, wenn Werkzeuge wie Siri, Tablet und Co es einem immer weiter abnehmen, noch Dinge handschriftlich notieren zu müssen?
Wichtigkeit einer guten Schreibmotorik
Durch einige wissenschaftliche Studien wurde bereits bestätigt, dass die graphomotorischen Fähigkeiten von Kindern sich direkt auf deren Kompetenzen beim Erlernen von Buchstaben auswirken. Vorschulkinder hatten es in einer Studie der Universität Marseille wesentlich leichter beim Erlernen von Buchstaben mit dem Stift als beim Lernen via Tastatur.
Im Jahre 2006 fanden Forscher in Seattle heraus, dass sich die Hirnaktivitäten von Kindern grundlegend unterscheiden, wenn sie Stift oder Tastaur nutzen und zudem hatten die mit Stift schreibenden Schüler deutlich mehr Ideen und brachten Wörter deutlich schneller „zu Papier“, als diejenigen, die tippten.
Vertiefend hierzu wurde 2012 in Bloomington an der Universität festgestellt, dass per Hand nachgeschriebene Buchstaben deutlich stärkere Spuren in Hirnarealen, die dafür bekannt sind, dass sie mit dem Lesen und Schreiben zusammenhängen, von 4 bis 6- jährigen Kindern hinterließen, als bei denjenigen, die die Buchstaben nur mit Hilfe der Tastatur abgeschrieben hatten. Das Lernen via Schreiben mit Stift hatte also zu nachhaltigerem Lernen geführt, als die Arbeit mit Tastatur.
Zu besonderem Aufsehen führte schließlich aber eine Untersuchung aus dem Jahre 2014, die feststellte, dass Studierende, die sich in Vorlesungen Notizen per Hand machten, den Inhalt der Vorlesungen alleine dadurch wesentlich besser verankert hatten, als jene, die sich auf ihren Laptops die Aufzeichnungen gemacht hatten. Grund hierfür war vor allem, dass am Laptop zumeist wortwörtliche Mitschriften erfolgten, während per Hand schreibende Studenten die Informationen zunächst verarbeitet und dann in eigene Formulierungen umgewandelt hatten.
Es zeigt sich also deutlich, warum auch heute in unserer immer digitaler werdenden Welt eine Förderung der Graphomotorik schon bei jungen Kindern essentieller Bestandteil für die allgemeine gesunde Entwicklung und auch die Entwicklung der Intelligenz sein muss.
Ich hatte nun vor Kurzem die Möglichkeit, den neuen digitalen Schreib-und-Graphomotorik-Analyse-Stift EduPen des Herstellers STABILO Education auf Herz und Nieren zu testen und möchte hier nun von meinen Ergebnissen berichten.
Das Produkt
Der EduPen ist ein Stift, der mit normaler Schreibmine benutzt wird, aber gekoppelt an die zugehörige App sofort in digitaler Form die Schreibmotorik von Kindern auswertet. Benötigt wird hierzu zusätzlich ein kompatibles Tablet. Technische Voraussetzungen des Tablets: Android ab Version 5.0 oder Apple iOS ab Version 9.0. Bluetooth Low Energy und ein Prozessor mit mind. 1.6 GHz. Da die Testung eines Kindes nur etwa 5 Minuten beansprucht, kann problemlos mit einem Stift eine ganze Klasse relativ zügig getestet werden.
Durchführung der Testung
Dem Kind muss zunächst ein Profil angelegt werden. Wichtig ist hierbei vor allem sein Geburtsdatum und seine Händigkeit, da die App hier basierend auf Referenzwerten auswertet. Ein Name muss ebenfalls angelegt werden, dieser muss aber nicht der echte sein. In der App bewertet die Lehrkraft dann zunächst Stift- und Sitzhaltung des Kindes, seine Fingerposition, die Blattlage und den von ihm auf den Stift ausgeübten Druck.
Sofort danach kann die Testung starten. Hierzu zieht man zunächst die Kappe vom Stift und wartet, bis die Kontrolllampe blau leuchtet. Dann ist der Stift mit der App gekoppelt und der Test kann beginnen. Dafür klickt man das gleichnamige grüne Feld mit der Aufschrift „neuen Test beginnen“ in der App an und kommt so zur ersten von sechs kurzen Aufgaben. Hier soll das Kind den kurzen Satz „Die Wellen schlagen hoch“ abschreiben. Ist es hierzu noch nicht in der Lage, dann kann diese Aufgabe ausgelassen werden. In Aufgabe 2 soll das Wort „AUTO“ und in Aufgabe 3 fünf mal „ele“ geschrieben werden. Wichtig ist es bei jeder Aufgabe, dass die Testung mit Klick auf den entsprechenden Button in der App begonnen und auch wieder beendet werden muss. Bei den Aufgaben 4 bis 6 muss man die Testung jeweils nur starten. Wann die Messung beendet ist, sagt einem dann die App. Abschließend muss man als Lehrkraft dann noch die Lesbarkeit der Schrift des Kindes bewerten.
Was wertet die App durch den Stift aus?
Die App analysiert bei der Schreibprobe die vier Bereiche Tempo, Druck, Rhythmus und Lesbarkeit der Schrift des Kindes. Basierend auf Referenzwerten wertet sie die Probe des Kindes aus und sortiert es so Förderschwerpunkten zu. Diese Analyse liegt sofort nach Testende vor und zusätzlich kann ein Bericht für Elterngespräche ausgedruckt werden. Sie ist anschaulich und leicht verständlich aufgebaut, sodass sich sofort erschließt, wo das Kind jeweils liegt.
Wie kann basierend auf den Ergebnissen gefördert werden?
Zu jedem der vier Bereiche der Schreibmotorik beinhaltet das System viel Fördermaterial, welches sofort nach einer Testung und Zuordnung eines Kindes zu Förderschwerpunkten zur Verfügung steht und ausgedruckt werden kann. Die App informiert hier zusätzlich noch einmal differenziert darüber, welche Arbeitsblätter aus dem jeweiligen Bereich bearbeitet werden sollten.
Innerhalb eines Klassenverbandes bietet sich diese Förderung wunderbar im Rahmen von Stationsarbeit oder individuellen Arbeitsplänen an. Da können die Übungen den Kindern dann für die individuelle Arbeit zur Verfügung gestellt werden und die Arbeit so zeiteffizient in den normalen Unterricht integriert werden. Die App bietet hierfür sogar vorgefertigte Stationsschilder, die so die den Kindern dann im Laufe der Zeit geläufig werdenden Team-Vertreter Max (Druck), Sofie (Form), Leo (Tempo) und Lena (Rhytmus) abbilden und so gewährleisten, dass auch Erstklässler, die noch nicht so sicher lesen können, das richtige Fördermaterial finden.
Durch regelmäßig wiederholte Tests lässt sich die Entwicklung jedes Kindes optimal beobachten.
Der Stift im Einsatz
Ich empfehle den Stift vor einer ersten Testung unbedingt einmal selbst auszuprobieren, um sich mit der Technik vertraut zu machen, vorbereitet zu sein und um Test und Stift definitiv vorher zu kennen. So ist man dann ausreichend gewappnet für die Testungen und kann Probleme schnell beheben.
Für die normalerweise in deutschen Schulen vorherrschenden Bedingungen von nicht selten zu wenigen Lehrkräften und reichlich gefüllten Klassen mit sehr heterogener Schülerschaft bietet der EduPen eine echte Erleichterung in der Arbeit. Er misst zeiteffizient und objektiv die Kompetenzen der Kinder und liefert umgehend das passende Fördermaterial. Um ein ähnliches Ergebnis erhalten zu können müsste man als RegelschullehrerIn entweder zusätzliche Fortbildungen genossen haben, um Probleme bei den Kindern richtig einschätzen zu können, oder aber das Glück haben, einen Sonderschulpädagogen an der Seite zu haben, der einen dabei unterstützt. Beides ist leider nicht die Regel in unseren Schulen. Zusätzlich würde die Erstellung des Fördermaterials einiges an Arbeitsstunden einfordern. Alles in allem kann ich also nur resümieren, dass der EduPen sich da als Segen erweist und sein Preis von 499 € sich in Windeseile amortisiert haben wird.
Der EduPen wurde mir von der Firma STABILO kostenfrei für den Test ausgeliehen.